Montag, 31. August 2015

Canyon-Wanderung in der Bletterbachschlucht

Amphitheater der Bletterbachschlucht unter dem Weißhorn
Der Bletterbach bei Aldein hat seit der letzten Eiszeit in nur etwa 15.000 Jahren eine im Alpenraum einzigartige Schlucht durch eine bis zu 400 m starke Schicht von Sedimenten und vulkanischen Ablagerungen gefräst, die unterhalb des Weißhorns ein geologisches Profil über 280 Millionen Jahre aufschließt. Das Gebiet Südtirols lag damals am Äquator. Allerdings gab es Europa vor 280 Millionen Jahren nicht, sondern den Superkontinent Pangea, der vor ca. 230 Millionen Jahren auseinanderzubrechen begann. Das Modell von Plattentektonik und Kontinentaldrift gilt als 'reife Wissenschaft', aber die Dynamik des Modells ist bisher ungeklärt.
Ein Netz von Wanderwegen macht die 8 km lange Bletterbachschlucht zugänglich. Seit 10 Jahren hat die Schlucht als GEOPARC Bletterbach den Status 'UNESCO Welterbe', was sich einerseits positiv auf die Infrastruktur auswirkt, andererseits viele Touristen anzieht und den GEOPARC Bletterbach zu einem beliebten Familienziel macht. Wer Wert auf Ruhe legt, sollte vor 10:00 Uhr eintreffen. Diashow der Fotoserie


Besucherzentrum GEOPARC Bletterbachschlucht
Von Seis am Schlern reisen wir ca. 60 km in 1:10 Std. an. Am Besucherzentrum werden 5 € pP erhoben. Der Preis umfasst Services, wie Parkplatz, Ausstellung, Broschüre, kurze Einweisung zu Wanderwegen, Toiletten und schließlich auch Bereitstellung eines Steinschlaghelms. In der Bletterbachschlucht besteht nämlich Helmpflicht. Angebotene Führungen kosten moderate zusätzliche Gebühren. Die informative Webseite GEOPARC Bletterbach fasst Angebote übersichtlich zusammen.
Sehenswerte Gesteinsmuster sowie Veranschaulichung geologischer Strukturen und ihrer Dynamik bilden Schwerpunkt der Ausstellung im Besucherzentrum. Ein kurzer Film informiert über Kontinentaldrift und Katastrophenereignisse der Erdgeschichte.
In der Bletterbachschlucht stellen sich Erinnerungen an Canyon-Wanderungen im Südwesten der USA ein. Die Bezeichnung als Grand Canyon Südtirols ist jedoch im Vergleich der beiden Schluchtensysteme eher als unseriöses Marketing-Geplapper zu betrachten.


Porphyr und Grödner Sandstein
Bletterbachschlucht
Unsere Wanderung, tatsächlich eher ein Spaziergang, führt vom Besucherzentrum durch einen Wald in ca. 15 Minuten hinab in die Schlucht. 230 bis 280 Millionen Jahre alter rötlicher, vulkanischer Bozener Quarzporphyr ist an der Basis der Schlucht in einer mehrere Meter starken Schicht abgelagert. Darüber ruht eine an Fossilien reiche Sedimentschicht Grödner Sandstein mit bis zu 250 m Mächtigkeit. Unterschiedliche Verfärbungen verweisen auf verschiedene eingelagerte Mineralien.
Gesteinsbrocken und Sand im Bachbett machen bewusst, dass wir lediglich eine Momentaufnahme des als Kreislauf der Gesteine bezeichneten geologischen Zyklusses sehen. Das Gebirge der Alpen faltete sich erst mehr als 100 Millionen Jahre später auf.


Bletterbachschlucht
Wasserfall im Butterloch
Weg Nr. 3 führt abwechselnd über Waldpfade oder durch das Bachbett des Bletterbachs, der zum Zeitpunkt unseres Besuchs nur ein Rinnsal ist. Nach starken Niederschlägen wird der Bletterbach zum reißenden Wildbach. Weg Nr. 3 endet nach ca. 45 Minuten an einer als 'Butterloch' bezeichneten kesselartigen Geländestufe, über die sich der Butterloch-Wasserfall ergießt. Das 'Buttterloch' ist der verbliebene Rest eines vor ca. 230 Milionen Jahren aktiven Vulkanschlots. Vulkanische Explosionen ließen im Butterloch Schlotbrekzien entstehen, die in Sedimenten eingelagert sind.




Weißhorn über der Bletterbachschlucht
Talschluss der Bletterbachschlucht
Der 'Jägersteig' führt über 140 Höhenmeter aus dem Bachbett heraus zur Oberkante der unteren Schlucht, an der wir auf den 'Gorzsteig' treffen. Der Steig folgt zunächst einer Gipfelroute auf das Weißhorn, 2.317 m, und trifft den Europäischen Fernwanderweg E5. An der Querung des Bletterbachs verlassen wir die Wege und steigen weglos im Bachbett auf. Nach ca. 30 Minuten erreichen wir den als 'Gorz' bezeichneten Talschluss in Form eines Amphitheaters unter dem Gipfel des Weißhorns. In der mehrere hundert Meter hohen Wand ist über der Gröden-Formation eine 60 Meter mächtige Bellerophon-Formation freigelegt. Darüber liegen weitere, im Meer entstandene Sedimentschichten, geologisch als Oolithbank, Werfen-Formation, Richthofen-Konglomerat bezeichnet. Die oberste Schicht bildet fast weißer Sarldolomit, der durch Ablagerung von Wirtelalgen (Kalkalgen) in der Trias entstanden ist. Der Gipfel des Weißhorns besteht als Sarldolomit, dessen helle Farbe namensgebend für den Gipfel war. Nach 3 Stunden endet ein hoch interessanter geologischer Spaziergang durch die Erdgeschichte im Übergang vom Perm zur Trias.

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